2024 – ein besonderer Jahrgang
Kaum zu glauben, aber unser geliebter NST wird nächstes Jahr schon fünf Jahre alt, und er kennt bisher nur einen Weg – und zwar stetig vorwärts.
So war es auch beim Jahrgang 2024! Als Mitte Dezember immer noch keine Anmeldungen für einen Thruhike vorhanden waren, ahnten wir schon Schlimmes. War es das? War der Nord Süd Trail doch nur ein Strohfeuer?
Nein, ab Mitte Januar flatterte eine Anmeldung nach der anderen herein und bescherte uns den zahlenmäßig stärksten Jahrgang seit Bestehen des Trails.
Was für eine Freude bei uns allen! Selbst so bekannte Gesichter wie Penny, Mitglied der Initiative NST und der „Pförtner des NST“, wagten einen Thruhike. Teilweise war es uns schon fast zu viel, und man hatte streckenweise Mühe, noch hinterherzukommen. Aber aus diesem Grund haben wir ja diesen Weg ins Leben gerufen, also freuten wir uns riesig über diesen Zuwachs.
Rekordverdächtig war auch die Anzahl der Hunde, die mit unterwegs waren. Doch leider schaffte es kein einziger, also warten wir immer noch auf den ersten Vierbeiner, der den NST komplett durchlaufen hat. Ja, es gab dieses Jahr eine Menge Bestmarken, die geknackt wurden, wie zum Beispiel der früheste Start Mitte Januar oder die längste jemals gelaufene Tagesetappe mit vollem Gepäck: unglaubliche 161 Kilometer. Rekordverdächtig war allerdings auch die Ausfallquote dieses Jahr. Am Ende schafften es tatsächlich nur vier Thruhiker, den Nord Süd Trail zu komplettieren.
Woran hat es gelegen?
Das Wetter im Jahr 2024 war wirklich alles andere als optimal – ein durchgehend nasses Jahr, das definitiv an der Psyche zehrt. Wenn es permanent regnet, fällt es schwer, motiviert zu bleiben. Allerdings kann man sich das Wetter nun mal nicht aussuchen. Die Gefahr, dass ein Thruhike buchstäblich ins Wasser fällt, besteht auf jedem Fernwanderweg der Welt. Dessen sollte man sich also von vornherein bewusst sein.
Ein weiterer häufiger Grund für das vorzeitige Abbrechen eines Thruhikes sind Verletzungen, die oft mit Überbeanspruchung zusammenhängen.
Zwar werden häufig die langen Asphaltpassagen am Anfang des Weges als Ursache genannt, tatsächlich liegt der Grund aber meist woanders: falsches Schuhwerk oder schlichte Übermotivation. Wer von null auf hundert plötzlich 30 bis 40 Kilometer pro Tag läuft, verlangt seinem Körper enorm viel ab. Diese Belastung muss erst einmal verarbeitet werden.
Alle gut gemeinten Ratschläge, es zu Beginn langsamer anzugehen und die Tageskilometer schrittweise zu steigern, werden häufig ignoriert. Das führt schnell zu Problemen. Übrigens: Der Asphalt selbst ist weniger das Problem. Der menschliche Körper ist mittlerweile an das Laufen auf Asphalt gewöhnt, und selbst Marathons werden auf diesem Untergrund ausgetragen. Es sind also nicht die Trailkilometer auf Asphalt, sondern der oft übereilte Start, der viele Wanderer zur Aufgabe zwingt.
Hike Your Own Hike
Um es vorwegzunehmen: Jeder, der den Nord Süd Trail bewandert – ganz gleich, ob er ihn vollständig meistert oder vorzeitig abbricht – bereichert den Weg, die gesamte Community und idealerweise auch sich selbst. Ohne euch gäbe es den NST heute nicht, so einfach ist das. Die Herangehensweise an die Herausforderung Thruhike bleibt jedem selbst überlassen.
Mir ist es wichtig zu betonen, dass dieser Text meine persönliche Meinung widerspiegelt und nicht die der Initiative Nord Süd Trail.
Lange habe ich darüber nachgedacht, warum in diesem Jahr so viele Wanderer ihren Weg abgebrochen haben. Der NST ist im internationalen Vergleich mit sogenannten Wildnis-Trails relativ unkompliziert, sei es in Bezug auf Organisation oder Unterkunftsmöglichkeiten. Doch genau dieser Vorteil, die gute Infrastruktur in Deutschland, könnte auch die größte Herausforderung sein. Mal eben für ein paar Tage nach Hause zu fahren, ist während eines Thruhikes auf dem NST kein großes Problem und schnell organisiert. Diese ständige Verlockung und Versuchung, sich eine Auszeit zu gönnen, ist allgegenwärtig – und könnte ein entscheidender Grund für das vorzeitige Ende vieler Wanderungen sein.
Zero-Days und der richtige Umgang mit Auszeiten
Eine Auszeit, also sogenannte Zero-Days, sollten dann genommen werden, wenn sie körperlich oder seelisch notwendig sind – bei Krankheit, Verletzungen oder wichtigen beruflichen oder familiären Angelegenheiten. Sie sollten jedoch nicht dazu genutzt werden, um auf ein Musikfestival zu gehen oder einen Kurzurlaub zu machen. Wenn man Urlaub vom Urlaub braucht, läuft etwas grundlegend falsch. Diese Wanderung sollte ein Abenteuer sein, keine Arbeit, von der man sich eine Auszeit nimmt. Eine so lange Wanderung bedeutet immer auch, zurück zur Natur zu finden – selbst in Deutschland. Meiner Meinung nach ergibt es wenig Sinn, eine derart ausgedehnte Reise zu planen, wenn man dabei nur von Hotel zu Hotel wandern möchte. Natürlich bleibt es jedem selbst überlassen, wie und wo er übernachtet. Aber ist es wirklich sinnvoll, Unsummen für Unterkünfte auszugeben und den gleichen Komfort wie zu Hause zu genießen?
Es ist kein Zufall, dass die vier Thruhiker, die 2024 die gesamte Strecke geschafft haben – von über 50 gestarteten Teilnehmern – diejenigen waren, die hauptsächlich in der Natur übernachtet haben. Sie haben sich trotz aller Widrigkeiten durchgebissen und die Herausforderung angenommen.
Ist es schlimm, dass so viele abgebrochen haben? Nein, natürlich nicht. Wie ich eingangs erwähnt habe, bereichert jeder, der sich auf diesen Weg begibt, die Community – und ich bin persönlich sehr stolz auf jeden Einzelnen von euch!
Die glorreichen Vier Finisher des NST 2024 – v.l.n.r. : Prof White, Second Half, Magic und Hiking Dancer.
Das richtige ``Mindset`` für einen Thruhike
Das richtige Mindset ist entscheidend für einen erfolgreichen Thruhike. Wer nur von Safe Space zu Safe Space wandert – also hauptsächlich Hotels, Jugendherbergen, Trail Angels oder andere Unterkünfte ansteuert – wird nicht nur eine Menge Geld ausgeben, sondern statistisch gesehen die Reise oft nicht beenden. Es gibt tatsächlich einen Zusammenhang: Man muss den Trail annehmen, mit allem, was er mit sich bringt.
Sollen jetzt Menschen, die aus Alters- oder Gesundheitsgründen nicht mehr draußen schlafen können oder wollen, auf den NST oder andere Fernwanderwege verzichten? Natürlich nicht! So sollten meine Gedanken keinesfalls verstanden werden. Jeder sollte den Weg so gehen, wie es für ihn passt. Am Ende des Tages bleibt das Wandern dasselbe – ein wunderschönes Erlebnis, das uns alle verbindet.
Ein Fernwanderweg heilt allerdings auch keine psychischen Krankheiten. Es wäre schön, wenn es so einfach wäre. Aber ein Thruhike kann dir dennoch enorm guttun. Ebenso wenig wirst du auf dem Jakobsweg Gott finden – zumindest nicht, wenn du wie ich überzeugter Atheist bist. Ein Fernwanderweg kann vieles leisten, aber er kann nicht alles im Leben reparieren.
Warum mache ich das? Was ist der Sinn dahinter?
Das sind die richtigen Fragen, die man sich vor einer solchen Wanderung stellen sollte:
Eins mit der Natur werden, Freiheit spüren und erleben, das alltägliche Hamsterrad verlassen, die Zeit vergessen und vor allem minimalistisch reisen – dabei erkennen, wie wenig man wirklich braucht, um glücklich zu sein. Das war mein Mindset, meine Motivation auf dem Nord Süd Trail.
Zum Abschluss möchte ich euch noch eine Weisheit mit auf den Weg geben:
„Wer ständig den Trail verlässt, ist nie wirklich auf ihm angekommen.“
just my2 cents
Soulboy
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