Weitwandern in Deutschland: Mein Abenteuer auf dem Nord Süd Trail
Mein Weg zur Fastest Known Time
Vor wenigen Wochen bin ich am südlichsten Punkt Deutschlands, dem Haldenwanger Eck, angekommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich die 3.700 km des Nord Süd Trails verteilt auf 96 Wandertage und 2 Pausentage erfolgreich abgeschlossen. Zeit, ein kleines Fazit zu ziehen.
Lasst euch mitnehmen – auf meine Wanderung durch Deutschland und zugleich auf meine persönliche Reise zum Weitwandern.
Wie meine Liebe zum Wandern begann
Ich war noch nicht mal geboren, da nahmen mich meine Eltern schon mit in die Berge. Damals in Ramsau am Dachstein fing alles an. Hier verbrachte ich jedes Jahr mehrere Wochen mit meiner Familie und in der Jugend bin ich dort erste Male alleine gewandert. Dies wurde im frühen Erwachsenenalter etwas intensiviert, so verbrachte ich 1-2 Wochen im Jahr in Bergwandergebieten mit festen Unterkünften. Zu jener Zeit hatte ich schon mal Lust, fremde Regionen zu erkunden, aber mir fehlten oft Wanderfreunde und alleine hatte ich mich nicht wirklich getraut aufzubrechen.
Erste Solo-Abenteuer: Portugal, Balkan und mehr
Dies alles änderte sich nach einer schmerzhaften Trennung. Von da an gab es kein Halten mehr. Meine erste Wanderung alleine führte mich auf die Rota Vicentina, dem Fischerpfad, in Portugal, eine der schönsten Küstenwanderungen der Welt. Es folgten viele weitere Regionen: Serbien, Rumänien, Ukraine, Peaks of the Balkans Trail, Kolumbien und einige mehr. Ich war mit Wanderfieber infiziert. Je mehr ich sah und erlebte, desto mehr wollte ich noch sehen. Zwischen den Reisen in fremde Länder erkundete ich die Alpen. Auch an den Wochenenden treibt es mich in die Natur. Da kommt es gelegen, dass ich privat zwischen schönen Wandergebieten wohne. Odenwald, Pfalz oder Schwarzwald sind meine wöchentlichen Spielplätze.

Inspiration aus Neuseeland: Te Araroa
Aber irgendwie hatte ich schon immer den noch unbefriedigten Wunsch in mir, ein richtiges, langes Abenteuer zu erleben. Zuerst hielten mich auch hier eigene innere Grenzen zurück. Du schaffst das nicht, es kann dir was passieren etc. So ein Abenteuer kannst du auch noch machen, wenn du deine Traumpartnerin gefunden hast. Doch diese kam und kam nicht. Dann starben 2022 ganz unerwartet zwei Kollegen von mir. Dies hat mir gezeigt, dass man nichts im Leben aufschieben soll. Ich sprach mit meinem Chef, ob ich 6 Monate Urlaub nehmen kann. Gut, dass ich in der Vergangenheit 162 Urlaubstage angesammelt hatte. Der Urlaub wurde genehmigt. Einige Jahre davor hatte ich vom Te Araroa in Neuseeland gehört, 3.000 km durch atemberaubende Natur. So ging es dann über den Jahreswechsel 2023/2024 nach Neuseeland. Der Te Araroa zählt nicht umsonst zu den anspruchsvollsten Fernwanderwegen weltweit. Der Trail ist zwar komplett markiert, oft aber weglos. Insgesamt habe ich gut 100 Flüsse durchschreiten müssen, teilweise reichte der Wasserstand bis zur Brust. Und schließlich sind die Wälder größtenteils dschungelartig und der Weg gleicht darin oft einer Schlammschlacht. Dennoch oder
vielleicht gerade deswegen wurde dies für mich zu einem ein unvergesslichen Erlebnis, welches mich und meine Einstellung zum Leben massiv veränderte. „Leider“ wurde dort auch meine Lust aufs Weitwandern und Abenteuer geweckt. Ich fasste den Entschluss, in Zukunft öfter solche Auszeiten zu nehmen und so meine Wanderlust mit meinem Berufsleben halbwegs unter einen Hut zu bekommen.
Warum ich den Nord Süd Trail gewählt habe
Kaum war das eine Abenteuer beendet, wollte ich natürlich das nächste planen. Aber nach den langen Flügen nach Neuseeland wollte ich der Umwelt zuliebe nicht weit reisen. Da passte es gut, dass ich während meiner Wanderung in Neuseeland Soulboy in einem Podcast über die Entstehung des Nord Süd Trails habe berichten hören. Seitdem war der Samen in mir gesät: Wäre es nicht wunderbar, die eigene Heimat zu Fuß zu entdecken? Ganz viele der eingeschlossenen Wanderwege hatte ich eh schon länger auf meiner Wunschliste. Außerdem war ich auf dem Te Araroa einer von 4.000 Wanderern pro Jahr, den Nord Süd Trail hatten aber bis dato nur circa 30 Wanderer (Verifizierte) komplett gemeistert. Mein Beschluss war also gefasst, 2025 werde ich den NST starten.

Vorbereitung auf 3.700 Kilometer
4 Monate habe ich mir dafür eingeplant. Die Vorbereitung war aufgrund meiner Vorerfahrung relativ einfach: existierende Ausrüstung checken und Schuhe in zweifacher Ausführung kaufen. Zusätzlich habe ich mir die Ressourcenkarte und natürlich die neuesten GPS Tracks auf mein GPS Gerät übertragen. That’s it. Am 01.05. war es dann soweit, ich besteige den Zug von Wiesloch/Walldorf nach Sylt.
Doch entgegen meiner ursprünglichen Planung nicht alleine, sondern ich werde von meinem ehemaligen Kollegen Claus (aka Laserjupp) begleitet. Dieser hatte Ende letzten Jahres seinen Vorruhestand begonnen. Durch meine Schwärmereien über lange Wanderungen und die Existenz des Nord Süd Trails haben ihn dazu verleitet, dieses Jahr ebenso zu starten. Gemeinsam beginnen wir die Wanderung am nördlichsten Punkt Deutschlands am Ellenbogen in List auf Sylt. Die nächsten 3 Tage könnt ihr nun alle meine Erlebnisse hier nachlesen. 😛 Nein, Spaß, ich werde im Folgenden meine Highlights für euch zusammenfassen.
Kulturelle Vielfalt & kulinarische Erlebnisse
Welche Erwartungen hatte ich an den Trail? Mir war definitiv bewusst, dass ich die Erfahrung in der Wildnis Neuseelands natürlich nicht in Deutschland finden würde. Diese habe ich auch nicht gesucht. Stattdessen wollte ich meine Heimat Schritt für Schritt, Meter für Meter mit all ihren Facetten von Nord nach Süd im Wandel kennen lernen. Im Folgenden möchte ich euch nur einige Beispiele nennen. Im Norden startet der Weg eben wie ein Pfannkuchen und wird im Verlauf immer bergiger. Oder kulinarisch: im Norden gibt es Mettbrötchen zum Frühstück oder riesige Rumkugeln beim Bäcker, in der Pfalz Saumagen und im Süden Kaiserschmarren. Und natürlich die Menschen mit ihren unterschiedlichen Charakteren und Dialekten. Während man im Norden 20 Minuten braucht, um das Gegenüber aufzutauen, hat man beispielsweise im Saarland oft Probleme, weiterzukommen, weil man sofort in ein Gespräch vertieft wird. Und natürlich wollte ich zahlreiche Regionen entdecken, in denen ich zuvor noch nie gewesen war, die aber schon länger auf meiner Liste waren. Von Anfang an hat der Nord Süd Trail alle meine Erwartungen erfüllt. Er war mir nur zu Beginn etwas zu flach, deshalb habe ich die ersten Tage gleich mit langen Tagesetappen begonnen. Dies führte dann an Tag 4 zur frühen Trennung von Claus und mir, da er sich leider am Anfang etwas übernommen hatte.

Trail Angels und herzliche Begegnungen
So ging es dann doch für mich alleine weiter.Was meine Erwartungen bei weitem übertroffen hat, waren die menschlichen Begegnungen. Dieersten Übernachtungen bei Trail Angels waren so herzliche und menschlich gute Erfahrungen, dass ich mir gesagt habe, jede Chance auf einen Trail Angel im Verlauf der Tour wahrzunehmen.Auch hier nochmals einen riesigen Dank für all eure Hingabe. Hinzu kamen aber auch nochunerwartete Begegnungen mit liebevollen Menschen. Um nur zwei Erlebnisse wiederzugeben: Ich hatte eine Nacht an der Wahlstorfer Mühle geplant. Dort komme ich mit einem älteren Paar kurz ins Gespräch. Diese sind schon lange wieder weg, da sagt die Besitzerin des Kiosks, ich dürfe mir noch ein Bier nehmen, das Paar hat mir ein Getränk ausgegeben. Von zwei anderen Paaren bekam ich zu Beginn jeweils eine Mail, dass sie mich gerne zu sich einladen würden, sobald ich
bei ihnen in der Region vorbei komme. So könnte ich noch ewig fortfahren. Am Ende habe ich
dann insgesamt bei 25 Trail Angels übernachtet.
Herausforderungen: Verletzungen, Gewicht, Regen & Heimweh
Je mehr Tage ich auf dem Weg unterwegs war, desto mehr habe ich realisiert, dass ich in Deutschland ja nur wandern muss. Die Wege sind so gut ausgebaut, dass mir teilweise der „Nervenkitzel“ gefehlt hat. Dies und meine gute körperliche Verfassung haben dazu geführt, dass mein Ehrgeiz geweckt wurde. Kann ich eine neue Bestzeit schaffen? War es am Anfang nur ein kleiner Funke, so wurde es mir mit jedem Tag bewusster, dass ich es definitiv versuchen werde.
Aber dafür reicht eine gute körperliche Verfassung und das Rucksackgewicht alleine nicht aus. Um es in den Worten eines meiner Follower zu sagen: „Nur der Wille einen Weg zu laufen, bringt den Erfolg.“ Und genau dieser unbändige Wille ist eine meiner größten Stärken.
Wie hat eine Freundin aus Neuseeland im Nachgang mir geschrieben: „Wir haben dir auf dem Te Araroa nicht ohne Grund den Trailnamen ‚Machine‘ gegeben.“
Dazu vielleicht eine kleine Anekdote. Ich stehe in der Küche der beiden Trail Angels Yavannah und Fabian. Seit mehreren Tage ist mein einer Knöchel schon nicht mehr sichtbar, so geschwollen ist er. Aber laufen geht noch ganz gut. „Ich gehe zu keinem Arzt, denn der sagt ja nur, dass ich Pause machen soll.“ Yavannah erwidert: „Ich bin Ärztin bei der Bundeswehr.“ Mist! Ich lasse sie drauf schauen, es könnte eine angehende Knochenhautentzündung sein. Ich gehe dennoch weiter. Dank ihrer Salbe, ist die Entzündung nach 2 Tagen aber endlich weg. Dies soll jetzt aber nicht als allgemeiner Rat verstanden werden, dass ihr die Zeichen eures Körpers ignorieren sollt.
Natürlich gibt es bei so langen Wanderungen nicht nur schöne Zeiten. Anfang des Jahres hatte ich eine neue Beziehung begonnen. Ich hatte nicht erwartet, dass es mir so schwer fallen würde, so lange von meiner Freundin getrennt zu sein. Umso schöner waren die gemeinsamen Abschnitte, auf denen sie mich immer mal wieder besucht hat. Eins weiß ich sicher, die nächste größere Wanderung wird es nur zusammen geben. Negatives Highlight war sicherlich die fast 3 Wochen anhaltende Regenphase am Ende. Sobald ich den Schwarzwald betreten habe, gab es fast jeden Tag schlechtes Wetter. Ein großer Test für die Nerven. Ich bekomme immer schlechte Laune, wenn ich meine Kamera wegpacken muss, dies musste in dieser Zeit allzu oft passieren.
Erst 2 Tage vor Ende hatte ich wieder den ganzen Tag Sonnenschein.
Lieblingsabschnitte auf dem Nord Süd Trail
Ich wurde bisher oft gefragt, was meine Lieblingsabschnitte waren. Ufff, das ist eine schwere Frage. Jede Region hat was Aufregendes zu entdecken. Ich kann mich nicht für einen Lieblingsabschnitt entscheiden. Der Saar-Hunsrück-Steig hat mich sehr begeistert, da er sehr abwechslungsreich ist und von allem etwas zu bieten hat: schöne schmale Pfade, Bäche, hübsche Wälder, Burgen und einiges mehr. Der Pfälzer Weinsteig war schön, weil ich mich aufgrund der Nähe zu meinem Zuhause heimisch gefühlt habe und die Pfälzer einfach ein nettes Volk sind. Trotz des schlechten Wetters gab es schöne Abschnitte im Schwarzwald, vor allem der schon sehr bekannte Schluchtensteig. Aber am liebsten sind mir immer noch die hohen Berge, von daher begeisterte mich am Ende umso mehr die Nagelfluhkette.
Fazit: Wartet nicht, bis es zu spät ist!
Hab ich nun vom Weitwandern genug? Nein, eher das Gegenteil. Da stellt sich natürlich die Frage, was als nächstes kommt. Ich glaube, erstmal eine kleinere Tour. Aktuelle Favoriten sind der High Scardus Trail durch Nordmazedonien, Kosovo und Albanien oder der Lykische Weg in der Türkei und als Beimischung der GR20 auf Korsika. Aber wer weiß, vielleicht auch was ganz Anderes.
Jetzt zehre ich erst mal von den unzähligen Erlebnissen und liebevollen Begegnungen. Ich bin erfüllt von großer Dankbarkeit, dass ich das alles erleben durfte. Wenn ihr schon immer mal von einer langen Wanderung geträumt habt, dann packt euren Rucksack und macht euch auf. Sollte die Zeit nicht reichen, dann könnt ihr auch immer nur abschnittsweise eure Schuhe schnüren.
Aber folgt eurem Traum, denn irgendwann kann es zu spät sein! Danke fürs Lesen!
Wenn ihr bei zukünftigen Abenteuern dabei sein wollt, dann folgt mir gerne auf Instagram oder bei Find Penguins.
Ich freue mich auf regen Austausch mit euch.

Post a Comment
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.